„Bei Frauen soll1en wir strenger sein“
So
lautet eine kleine, aber aufschlussreiche interne Notiz in Eva Ruttes
Antrag an den Neuen Hilfsfond, in dem die Gattin eines Gynäkologen –
beide konnten sich rechtzeitig vor den Nationalsozialisten ins
sichere Exil retten – Anspruch auf Hilfsleistungen stellte. Barbara
Sauers Beitrag „Beruf: Arztgattin?“ beleuchtet eindrücklich die
genderspezifischen Aspekte der „Entschädigung“ zwangsexilierter
ÖsterreicherInnen anhand sehr unterschiedlicher
(Erwerbs-)Biografien. Ein weiterer und ebenfalls besonders
hervorzuhebender Beitrag beschreibt „Die queeren Netzwerke der
Erica Anderson“. Andreas Brunner hat glücklicherweise entschieden,
seine mehr als 20 Jahre zurückliegenden Recherchen über diese
Filmemacherin in einem Artikel zusammenzufassen, der eindrücklich
beschreibt, wie Andersons gleichgeschlechtliche Liebes- und
Freundschaftsverhältnisse sowie die Solidarität schwuler Männer
nicht nur die Flucht nach England und eine Schutzehe, sondern später
auch den Aufbau einer Karriere im Exil unterstützen konnten.
Irene
Messinger und Katharina Pragers Band sammelt 12 unterschiedliche
Blicke, Aspekte und Forschungen, die sich mit Geschlechterdynamiken
im Exil beschäftigen und die Leserin vom ersten Artikel weg
mitreißen. Die aktuelle Situation von Geflüchteten im Kontext von
Gender wird im Beitrag von Diana Sherzada über afghanische Frauen im
Exil zwar angesprochen, bleibt jedoch vage und kommt über ein
Lamentieren über „westliche Feministinnen“ und die rassistische
Mehrheitsgesellschaft Europas nicht hinaus.
Mary Kreutzer
Doing Gender in Exile. Geschlechterverhältnisse, Konstruktionen und Netzwerke in Bewegung. Hg. von Irene Messinger und Katharina Prager. 218 Seiten, Westfälisches Dampfboot, Münster 2019, EUR 25,70