Berlin Kreuzberg
Das Zentrum Kreuzberg, früher Neues Kreuzberger Zentrum – NKZ, ist ein Gebäudekomplex mit zwölf Etagen und 367 Wohnungen am Kottbusser Tor in Berlin Kreuzberg. Ein seit den 1970er Jahren umstrittenes Wohnprojekt (vgl. Rauch-Haus-Song der Band Ton, Steine, Scherben), das schließlich trotz großer Proteste umgesetzt wurde und im Laufe der Jahre zunehmend verslumte. Das NKZ ist der Ort der Handlung in Julia Rothenburgs neuem Roman. Alle Protagonist*innen leben seit Jahrzehnten in diesem Gebäudekomplex. Da gibt es Stanca, die von Delogierung bedroht ist, weil sie ihre Miete nicht mehr zahlen kann. Mutlu ist verwitwet, Vater von zwei heranwachsenden Söhnen, die ins Drogenmilieu abzurutschen drohen, und leidet unter Sprachlosigkeit und Depressionen. Marianne und Günther waren in den 1980er Jahren Hausbesetzer*innen, sind spießig geworden und maßgeblich verantwortlich für die Gründung einer Art Bürger*innenwehr. Rothenburg erzählt die tragischen Geschichten einzelner Bewohner*innen, beschreibt die Unfähigkeit, solidarisch und empathisch zu agieren. Es ist die Isolation, das Zurückgeworfensein auf die eigene Person, welche ein beklemmendes Bild von Menschen einer europäischen Großstadt zeichnen.
Beate Foltin
Julia Rothenburg: Mond über Beton. 320 Seiten, Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt/M. 2021 EUR 22,70