Das Leben anderer beobachten

Der Debutroman der Journalistin und Herausgeberin Anuschka Roshani erzählt mit stark autobiografischen Zügen von ihren Eltern, allen voran ihrem Vater, der in seiner Jugend aus dem Iran nach Deutschland auswanderte um Medizin zu studieren. Er ist sehr gutaussehend, eine schillernde Figur, lebt in Extremen und schafft sich seine eigenen Konventionen. Auch die Mutter der Autorin ist von auffälliger Schönheit, sie arbeitete als Model, bevor sie in späteren Jahren, lange nach der Scheidung, Pädagogik studierte und in der Filmbranche tätig war. Als sehr modebewusste, eigenständige Frau war sie dennoch den in den 1970er Jahren aufkommenden Feministinnen zu traditionell – nicht, dass sie sich jedoch um deren Meinung geschert hätte. Nun werden Vater und Mutter alt, der Vater hat außerdem die Parkinson-Krankheit, und die Tochter beginnt sich mit ihrem eigenen Alter zu befassen.

Spannend ist, wie die Autorin sich selbst in Bezug zu ihren in einigen Punkten außergewöhnlichen Eltern setzt. Sie sucht sich in ihrer Kindheit Freundinnen auch danach aus, ob ihr Elternhaus ruhig und unaufgeregt traditionell ist. Als Erwachsene wird sie zuerst Verhaltens­biologin, dann Journalistin – beides Berufe, in denen sie ihren Fokus auf die Beobachtung anderer Menschen legen kann. Ein spannendes Buch, das offen Einblicke in eine interessante Familie gibt.

gam

Anuschka Roshani: Komplizen. Erinnerungen an meine noch lebenden Eltern. 254 Seiten, Kein & Aber, Zürich 2018 EUR 20,60