Das Leben ordnen

Nach ihrem vielgerühmten Roman Engel des Vergessens ist endlich der zweite Roman von Maya Haderlap erschienen, der für die Shortlist des Österreichischen Buchpreises nominiert ist. Auch in diesem Roman geht es darum, das Vergangene zu begreifen und zu bewältigen. Um die Lebensgeschichten dreier Frauengestalten dreht sich der Inhalt. Handlungsort ist Südkärnten. Themen wie soziale Benachteiligung, Erwerbsleben, Existenzsicherung, Emanzipation, Gleichheit, Gerechtigkeit und der Arbeitsmarkt spielen nicht nur in einer qualitativen Studie über weibliche Erwerbsarbeit eine Rolle, die die Protagonistin Mira vor Jahren durchgeführt hat. Das Leben ihrer religiösen Mutter Anni als Alleinerzieherin und Köchin und ihrer strengen Großmutter Agnes, die als slowenische Kleinbäuerin ihren Mann, der Partisan im Zweiten Weltkrieg war, verloren hat, veranschaulichen, wie schwierig der Kampf für Frauenrechte ist. Selbst Miras Leben als Bibliothekarin und ihre festgefahrene Ehe mit Martin bestätigen die empirischen Ergebnisse der vormaligen Forschungsarbeit. Die Autorin zeichnet keine Schwarz-Weiß-Portraits. Ähnlich wie sie Witterungsverhältnisse und Landschaften präzise, nuanciert beschreibt, werden die drei Frauenschicksale fein ziseliert in ihren jeweiligen historischen Kontext gebettet. Es werden zwar für Frauen im Hinblick auf ihr Eigenleben emanzipatorisch erkämpfte Veränderungen sichtbar, jedoch begleitet die unreflektierte männliche Ignoranz, an den patriarchalen Machtverhältnissen nichts ändern zu wollen, bisweilen jede Generation. Mit feiner Klinge schält Haderlap diese Details heraus. Sprachlich sehr gelungen!
ML
Maya Haderlap: Nachtfrauen. 294 Seiten, Suhrkamp, Berlin 2023 EUR 24,70