Die Blendung
Die Autorin Deniz Ohde beweist auch in ihrem zweiten Roman, dass sie sprachlich Stimmungen beeindruckend vermitteln kann. Yasemin wächst in einer nicht näher bezeichneten Trabantenstadt in Deutschland auf. Ihre Eltern bieten ihr wenig Rückhalt. Sozial ist sie integriert, sie findet in Immacolata eine wichtige Freundin, mit der sie sich später auseinanderleben wird. In der Pubertät verliebt sie sich in den drei Jahre älteren Vito, mit ihm und dessen Freund Sascha kann sie abhängen, aber sie spürt sich nicht. Aufgrund eines Reitunfalls wird ihr eine starke Skoliose diagnostiziert. Sie ist gezwungen, ein Korsett zu tragen, welches sie in ihrer körperlichen Beweglichkeit massiv einschränkt. Aufgrund ihres Handicaps kapselt sie sich sozial ab und trennt sich von Vito. Erst viele Jahre später begegnet sie Vito erneut und lässt sich aufgrund einer ihr nicht nachvollziehbaren magnetischen Anziehung ein weiteres Mal auf eine Liebesgeschichte mit ihm ein. Die Beziehung weist den Mangel auf, dass Vito für eine Liebe nicht aufnahmefähig ist. Yasemin beugt sich seinen manipulativen Fähigkeiten, bis sie schließlich den entscheidenden Schritt wagt, sich zu trennen.
Deniz Ohde gelingt es, sprachlich die bedrückende Verlorenheit ihrer Protagonistin Jasemin nachvollziehbar darzustellen. Vito ist ein Loser ohne Sicherheitsnetz, der resigniert hat. Um einer oberflächlichen Analyse dieses Paares etwas entgegenzusetzen und die Glaubwürdigkeit der Handlung zu verstärken, wäre eine facettenreichere Beschreibung seines Charakters sinnvoll gewesen.
ML
Deniz Ohde: Ich stelle mich schlafend. 251 Seiten, Suhrkamp, Berlin 2024 EUR 25,70