Die konstante Verwerfung von Care
Care als sowohl unbezahlte und bezahlte Sorge- und Reproduktionsarbeit erfährt in allen Phasen des patriarchalen Kapitalismus konstant Abwertung und Auslagerung. Beatrice Müller entwickelt in ihrem Beitrag dafür eine theoretische Begründung. Sie zeigt auf, dass die Verwerfung, die „Abjektion“ von Care strukturelle Kehrseite der In-Wertsetzung von Arbeit bildet und Grundlage und gleichzeitig Ergebnis kapitalistisch-patriarchaler Verhältnisse ist. Care wird als Care-Arbeit, aber auch grundsätzlicher als Relationalität sozialen Seins und Handelns erklärt. Die Abwertung äußert sich im Ausschluss ihrer Akteur_innen als geschlechtlich und/oder rassistisch-kolonial konstruierte „abjekte Andere“. Müller prüft ihre Theorie am Beispiel der ambulanten Pflegearbeit in Deutschland, wo sich quasi in Reinform zeigt, wie nach neoliberaler Logik „care zum guten Geschäft wird“. Auf Basis von mit Pflegerinnen geführten Interviews wird konkretisiert, wie sich Abjektionen auf Arbeitsorganisation und -bedingungen auswirken. Auch wenn etwas zu kurz kommt, dass (Frauen*-)Leben in der Abjektion immer auch von Kämpfen und Selbstermächtigung bestimmt ist, ist es eine zwar teilweise akademisch-abstrakte, aber jedenfalls spannende Lektüre, die mit einem theoretisch fundierten Ansatz einen erfreulich materialistisch-kritischen Beitrag zu den Diskussionen um Care liefert – wie auch wesentliche Inputs für aktuelle Kämpfe um alternative Care-Verhältnisse.
Lisa Grösel
Beatrice Müller: Wert-Abjektion. Zur Abwertung von Care-Arbeit im patriarchalen Kapitalismus – am Beispiel der ambulanten Pflege. 232 Seiten, Westfälisches Dampfboot, Münster 2017 EUR 27,90