Die Revolutionärin Alexandra Kollontai
In der sehr gelungenen Romanbiografie nähern sich Barbara Sichtermann und Ingo Rose behutsam dem Leben der Alexandra Kollontai an. Am 19. März 1872 in eine gutbürgerliche adelige Familie hineingeboren, wurde sich Kollontai früh ihrer Privilegien in Bezug auf weitreichende Bildung aber auch ihrer Unterdrückung als Frau bewusst und suchte im Gegensatz dazu das solidarische Leben. Sie besaß einen herausragenden Intellekt, sprach elf Sprachen, schrieb in etlichen davon und war als charismatische, gewinnende Rednerin viele Jahre in Russland sowie in Europa und den USA als Agitationsrednerin für die kommunistische Partei tätig. Sie war Feministin, Internationalistin, Revolutionärin, Gründerin des Frauenbüros, Volkskommissarin und Botschafterin der Sowjetunion in Norwegen, Mexiko und Schweden. Sie entkam den Säuberungen in der Partei und starb 1952. Sie war der Überzeugung, dass die Gesellschaft die unbezahlte Sorgearbeit der Frauen zu übernehmen hat. Ihre Erkenntnis, dass Frauen durch Besitzdenken, Sexualmoral und Reproduktionspflicht in Ehe und Beziehung unterdrückt werden, sowie die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit sind nach wie vor gültig und waren im sterbenden zaristischen Russland und der entstehenden Sowjetunion ihrer Zeit weit voraus. Durchzogen ist das Buch von sehr gut lesbar eingebetteten Originalzitaten, die der lebhaften Erzählung noch weiter Farbe verleihen. Literatur und Quellenhinweise im Anhang laden ein, sich näher mit den politischen Ideen und dem Leben der Kollontai auseinanderzusetzen.
Henrike Kovaćić
Ingo Rose und Barbara Sichtermann: „Fahren Sie sofort los“. Alexandra Kollontai. Ein Frauenleben zwischen Auflehnung und Macht. 299 Seiten, Kremayr & Scheriau, Wien 2024 EUR 27,00