Distanzierte Blicke

Als erfolgreiche Fotografin hatte Margaret Bourke-White maßgeblichen Einfluss auf die Vermittlung politischer und militärischer Inhalte. 1936 wurde sie erste weibliche Staff Photographer des Bildmagazins Life und avancierte bald zur erfolgreichen Fotojournalistin. 1942– 1943 wurde sie zu ihrem ersten Dienst als Kriegsberichterstatterin nach Großbritannien geschickt. Später war sie in Nordafrika, Italien und Deutschland als eine von wenigen Frauen in diesem Metier im Einsatz. Die Kunsthistorikerin Maria Schindelegger untersucht Bourke-White’s Werk aus diesem Zeitraum. Zunächst war die Aufgabe, den US-Einsatz für die zu Hause Gebliebenen „visuell zu zivilisieren“, wie die Autorin schreibt, also beinahe als Intervention aus Patriotismus und Loyalität darzustellen. Im Lauf des Krieges fotografierte sie unterschiedlichste Szenen: Alltagsleben, Kriegsschauplätze, Aufräumarbeiten, vergessene Kämpfer, verhaftete Nazis. Gegen Ende ihres Einsatzes radikalisierte sie die Darstellung von Tod und Verletzung und bricht mit Tabus. Intime wie distanzierte Blicke werden in den zahlreichen Fotografien gezeigt und mit der visuellen Kultur der Zeit in Beziehung gesetzt. Die Studie bereitet Hintergründe wie Motive historisch detailliert auf – etwa die Frage nach der Realität fotografischer Darstellung und die Wirkmacht des Bildausschnittes, der Perspektive und (scheinbarer) Zufälligkeit. Der Wahrheitsanspruch an das eigene Werk findet ebenso Raum wie die Frage nach Legitimierung von Kriegshandlungen.
Susa
Maria Schindelegger: Die Armierung des Blickes. Margaret Bourke-Whites Fotografien aus dem Zweiten Weltkrieg. 376 Seiten, Neofelis, Berlin 2017 EUR 29,80