Ein Liebesbrief
Wie für so viele Frauen in der Kunst, hat auch für Emmy Hennings bis jetzt die rechtmäßige Anerkennung gefehlt. Ihr Leben als Femme Fatale bekam oft mehr Aufmerksamkeit, als ihre Rolle der Schöpferin des Dadaismus oder ihre starken und von so viel Schmerz geprägten Gedichte. Ihr erster vollständiger Lyrikband führt auf die Reise einer tiefgründigen Künstlerin. „Ich schlage die Augen auf: Ein Traum wird geboren. Ich klammere mich nicht. Ich verweile nicht. Ich begreife nie mein schaumgeborenes Wunder. Meine lichte Nebelburg – sie fällt in meine Augen.“ – „Prosa (1915 – 1917)“ Emmy Hennings malt mit ihren Worten ein wunderschönes Gemälde aus Leid, Sehnsucht und einer ergreifenden Ehrlichkeit. In einem ihrer frühen Gedichte schreibt sie: „Sie hört die Mutter scherzen, lachen, der Kavalier verhandelt roh, Die Kleine hört die tollsten Sachen – Und macht es später ebenso.“ – „Die Mutter“(1913). Ihre Kunst und ihr turbulentes Leben sind untrennbar miteinander verbunden, in jedem ihrer Sätze spiegelt sich ihre Geschichte wider. Dieses Buch ist der perfekte Rahmen, um das Gemälde Emmy Hennings gebührend zu präsentieren. Sie ist Frau, Liebende und Kämpferin. Ihr Werk ist vor allem eines: Unglaublich faszinierend.
Amina Minou Reifenauer
Emmy Hennings: Gedichte, 698 Seiten, Wallstein Verlag, Göttingen 2020, EUR 39,10