Poetischer Aufbruch

In ihrem neuen Gedichtband setzt sich Katrin Bernhardt mit den unterschiedlichen Bedeutungen des titelgebenden Begriffs „Aufbrechen“ auseinander: Die Texte handeln von Neuanfängen, vom Reisen in ferne Länder, vom kritischen Hinterfragen der eigenen Privilegien, vom Fremd-Sein woanders und dem zuhause Nicht-Zuhause-Sein, von freiwilligem und erzwungenem Nicht-Dazugehören, von Rausch und von Ernüchterung. Scharfsinnig observiert die Autorin ihre Umgebung und erfasst die konservative, fremdenfeindlich gesinnte österreichische Gesellschaft in all ihrer Verlogenheit und Langeweile ebenso überzeugend wie persönliche Beziehungen und intime Gefühlsregungen. Die in musikalischer Sprache verfassten Prosagedichte ziehen die Leserin in ihren Bann und regen zum Nachdenken über sich selbst an. In einigen Gedichten stellt die Autorin meisterinnenhaft die widersprüchlichen Bilder von Frauen in der heutigen Gesellschaft gegenüber, wodurch sich das Absurde der an Frauen herangetragenen Idealvorstellungen offenbart und die Annahme, es gäbe „die Frau“, negiert wird. Lyrik mit kritischem Inhalt, dunklem Humor und sprachlicher Feinheit – ein Genuss!
 ReSt
Katrin Bernhardt: Aufbrechen. Gedichte. 98 Seiten, Edition lex-liszt 12, Oberwart 2020, EUR 18,00