Empfindliche Seismografin

Ein Teil der veröffentlichten Beiträge und der Titel des Sammelbands gehen auf das 2014 in München abgehaltene Symposium zum 10. Todestag von Susan Sontag zurück. Die Beschäftigung mit dem Werk der vielseitigen Denkerin verlangt nach verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven und dadurch logisch ableitbar nach unterschiedlichen Textsorten (Essay, Elegie, Aphorismen, Interview etc.), wobei ein lustvolles Querlesen der Beiträge durchaus erwünscht ist. Der Sammelband gibt Antworten darauf, wie sie als Intellektuelle geschrieben hat, wer sie beeinflusst hat, wie sie in der Kunst- und Kulturszene international in Erscheinung getreten ist, und wie ihr Werk rezipiert wird. Im Sinne einer vermittelnden Lesbarkeit wurden die verschiedenen Textsorten für die Beantwortung dieser Fragen mit Icons als Hinweise versehen, welcher Antwort sich die Leserin gerade annähert.
Als brillante Publizistin trug Sontag wesentlich dazu bei, dass die Massenkultur einer breiteren Analyse unterzogen wird und die vereinfachte Kategorisierung in hohe und niedere Kunst an Bedeutung verloren hat. So wird ihr Essay „Anmerkungen zu Camp“ von den ExpertInnen nachvollzogen, ebenso wie ihre Gedanken zum 11. September 2001 und Abu Ghraib. Sie betrachtete die Welt als ästhetisches Medium, wobei sie die Liebe zur Übertreibung in der Kunst für wichtig hielt. Ihre wichtigsten Beiträge werden kommentiert und kontextuali-siert, dazu gibt es einige berührende Fotos, die ihre Lebensgefährtin Anni Leibovitz gemacht hat.
ML

Radikales Denken – Zur Aktualität Susan Sontags. Hg. von Anna-Lisa Dieter und Silvia Tiedtke. 287 Seiten, Diaphanes, Zürich 2017 EUR 32,00