Familienvariationen

Wenn eine Geschichten mit unklarem Ausgang oder mysteriös anmutenden Inhalten mag, ist sie mit diesem Buch bestens bedient: Eine junge Frau, die in ihrer Kindheit adoptiert wurde und dann erbt, ein Kind mit Kätzchen, ein Mann mit neuer junger Frau und einem Sohn aus erster Ehe, eine Studentin und ein an der Universität zu Gast weilender Schriftsteller und Poetik-Dozent – die Plots und beteiligten Figuren muten leicht Hitchcock-mäßig an. Die Protagonistinnen in Oates Erzählungen sind Claire, Mia, Alyce und Elisabeth – allesamt Mädchen und junge Frauen. Ihre umgebenden Beziehungsgeflechte weisen Schatten auf, oft in Verbindung mit beteiligten Männern. Verbindend wirkt die forschende Neugierde der Frauen und des Mädchens: Sie lassen sich nicht abschrecken und sind dennoch auf der Hut. Jede von ihnen ist mit Veränderungen im Leben konfrontiert und reagiert auf diese in eigenständiger Art und Weise. Oates’ Geschichten funktionieren auf mehreren Ebenen, statt inhaltlich klaren Enden der Geschichten stehen literarisch-psychologische Deutungsangebote zur Wahl, die zugleich direktiv anmuten. Ein Buch für lange Winterabende und eine besondere Empfehlung für jene, die am Ende der Geschichte ein Fragezeichen wünschen.
Helga Mauerer
Joyce Carol Oates: Cardiff am Meer. Aus aus dem Engl. von Ilka Schlüchtermann. 380 Seiten. Osburg Verlag, Elmsbüttel 2021, EUR 24,00