Feminismus und Identität

Als Tochter einer nach Spanien migrierten, muslimischen Familie aus Marokko teilt Najat El Hachmi ihre persönliche feministische Perspektive in einem kurzen, gut lesbaren und einprägsamen Text mit. Feminist*innen muslimischer Herkunft begegnen in der europäischen Gesellschaft einem Dilemma. Die politische Rechte versucht, ihre persönlichen Erfahrungen zu instrumentalisieren, während sich eine relativistische Linke aus Furcht vor dem Vorwurf der Islamfeindlichkeit mit differenzierter Kritik an unterdrückenden und sexistischen Strukturen zurückhält. Rassifizierte Personen der muslimischen Diaspora fühlen sich oftmals weder in der Umgebung, in der sie leben, noch in den Ländern ihrer Vorfahr*innen verwurzelt. Sie werden durch fundamentalistische Strömungen mit dem Angebot einer klar definierten Identität in der Identitätskrise abgeholt. So breiten sich reaktionäre Denkweisen zunehmend in der Gesellschaft aus. Die Autorin sieht den islamischen Feminismus trotz progressiver Veränderungen kritisch. Sie befürchtet, dass die Grenzen der Religion nicht überwunden werden und somit keine vollständige Befreiung erreicht werden kann. Denn wie alle monotheistischen Religionen dient auch der Islam der Sicherung des Patriarchats. Statt einer Spaltung des Feminismus in verschiedene Strömungen plädiert Najat El Hachmi für einen grenzüberschreitenden, solidarischen und universellen feministischen Kampf.

Sarah Mir

Najat El Hachmi: Wir wollen die ganze Freiheit! Über Feminismus und Identität. Ein notwendiges Manifest. Aus dem Katal. von Michael Ebmeyer. 104 Seiten, Orlanda Verlag, Berlin 2023 EUR 17,00