Gefühle verorten
Abuzahra beschreibt in ihrem Buch die tiefgreifenden Auswirkungen von Rassismus auf die Emotionen der Betroffenen. Entlang der Metapher einer emotionalen Landkarte skizziert Abuzahra die Gefühle von Marginalisierten: auf den Reliefspitzen befindet sich die Wut, darunter liegen Trauer, Enttäuschung und Erschöpfung. Wut markiert dabei eine Grenzüberschreitung und ist ein Abstoßungspunkt, ein Ort, von dem es sich auf der Landkarte der Emotionen wegzubewegen oder den es zu verändern gilt. Abuzahra fragt danach, wie wir mit der Wut der Marginalisierten umgehen und wem Wut zugestanden wird und wessen Gefühle anerkannt werden. Sie analysiert, dass Rassismus nicht nur verletzt und wütend macht, sondern auch durch Stigmatisierung den Raum für Gefühle nimmt und diese abspricht. Die besondere Kraft des Buches sind die zahlreichen Beschreibungen der Erfahrungen von Betroffenen, die von Mikroaggressionen im Alltag bis hin zu strukturellem Rassismus reichen. Einerseits sind die Schilderungen eine Einladung, sich einzufühlen in die Emotionen marginalisierter Menschen. Darüber hinaus wird so verdeutlicht, dass hinter den homogenisierten ‚Anderen’ Individuen und deren Geschichten und Gefühle stehen. Dadurch, dass Abuzahra die Berichte immer wieder kontextualisiert, gelingt eine umfassende Bestandsaufnahme, die dazu einlädt, die Wut marginalisierter Menschen als eine kraftvolle Emotion anzuerkennen, die Initialzündung für Solidarität und gesellschaftliche Veränderung sein kann – sofern sie gehört und rezipiert wird. Das Buch ist eine sehr lesenswerte Gesellschaftsanalyse, die gut nachvollziehbar und leicht lesbar verfasst ist.
Laura Steinl
Amani Abuzahra: Ein Ort namens Wut. Die emotionale Landkarte der Marginalisierten und was Rassismus mit Gefühlen macht. 176 Seiten, Kremayr & Scheriau, Wien 2023 EUR 24,00