Geschlechtliche Unzuverlässigkeit
Vor dem Hintergrund der politischen und theoretischen Entwicklungen der letzten dreißig Jahre unterzieht Hanna Hacker ihr 1987 erschienenes Buch „Frauen und Freundinnen, Studie zur weiblichen Homosexualität am Beispiel Österreich 1870-1938“ einer kritischen Neubearbeitung. Das Ergebnis gibt einen sehr guten Überblick zu den politisch-aktivistischen und theoretischen Entwicklungen der letzten drei Dekaden und es zeigt, wie sich die historische Aufarbeitung der Geschichte lesbischer Frauen entlang neuerer Forschungsansätze und -befunde mit „aktuellem“ Vokabular neu verorten lässt. Die Re-Lektüre bezieht unter anderem queertheoretische und postkoloniale Analysen ein. Detailreich wird die Verdichtung heteronormativer und kolonialer Momente in der historischen Produktion der Figur der lesbischen Frau und ihres Körpers über Techniken wie der Vermessung, Klassifizierung, Normierung und Normalisierung nachvollzogen. Es ist ein sprachlich wie konzeptionell „dichtes“ Buch, das nicht nur für Historiker_innen von Interesse sein dürfte, da es zahlreiche, nach wie vor aktuelle Fragen der Communities historisch trefflich kontextualisiert. Roswitha Hofmann
Hanna Hacker: Frauen* und Freund_innen. Lesarten „weiblicher Homosexualität“. Österreich 1870-1938. 502 Seiten, Zaglossus, Wien 2015 EUR 19,95