Hebammengeschichte mit Schwächen

In zahlreichen Gesprächen hat die Journalistin Rebekka Haefeli von Augusta Theler Geschichten über deren Beruf als Hebamme erfahren. Im vorliegenden Buch erzählt sie viele Einzelerlebnisse nach und beschreibt detailliert das Handeln der Geburtshelferin innerhalb und außerhalb des Kreißsaals eines Schweizer Spitals. Sie vermittelt dabei streckenweise das Gefühl, direkt vor Ort dabei zu sein und die großen Gefühle, Ängste und Freuden von Schwangeren, frischgebackenen Vätern und krähenden Neugeborenen mitzuerleben. Haefeli ist in jeder Zeile dieser Aufzeichnungen beeindruckt von diesem Beruf und was Theler alles leistet. Gleichzeitig gibt sie auch Einblick in den Werdegang der 1965 Geborenen, die mit vielen Geschwistern unter ökonomisch ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen ist und als Hebamme in zahlreichen Krisengebieten der Welt im Einsatz war. Theler stellt sich selbst immer wieder in die Tradition von Hebammen, so auch in die Linie ihrer Großmutter. Haefeli informiert kursorisch über die historische Entwicklung dieses Frauenberufs in der Schweiz und die beschwerlichen, extrem unterbezahlten Bedingungen, unter denen diese Frauen tätig waren.
Der Text bleibt in den Sichtweisen von staunender Journalistin und begeisterter Hebamme, soziale, gesellschaftspolitische Kritik bleibt kontextlos und stellenweise naiv – entsprechende Literatur gäbe es; leider sind auch die Schilderungen über Menschen und Bedingungen außerhalb Europas von unreflektierten kolonialen Erzählperspektiven geprägt. So ist das Buch eine etwas distanzlose, aber liebevolle Würdigung von Hebammen.
Meike Lauggas
Rebekka Haefeli: Augusta Theler: Mit dem Hebammenkoffer um die Welt. 187 Seiten, Hier und Jetzt – Verlag für Kultur und Geschichte, Baden (CH) 2017 EUR 34,00