Helfende Erfahrungen
In ihrem zweiten Buch schildert Myrthe van der Meer den Alltag auf einer offenen Psychiatriestation sowohl aus auktorialer Erzählperspektive als auch konsequent aus Patieninnen-Sicht. Myrthe van der Meer ist das Pseudonym einer holländischen Autorin, die nach einem Burn-Out selbst klinische Erfahrungen gemacht hat und mit ihren von diesen Erfahrungen inspirierten Texten anderen Betroffenen helfen möchte. Realistisch, sprachlich basal, aber durchaus beschwingt erzählt, liegt das Buch physisch schwer in der Hand. Durch die minutiösen Wiedergaben von Handlungssequenzen und Dialogen wird das Subjekt-Sein der Autorin spürbar und dokumentiert subjektiv und treffsicher, wie unter den Patientinnen Allianzen und Zusammenhalt entstehen und schildert humorvoll kleine Szenen und Inszenierungen innerhalb des Rhythmus‘ der Klinik und erweitert unser Vokabular: So werden die Extremitäten einer sich ritzenden Borderlinerin als „Zebrabeine“ bezeichnet; ein Recovery-Seminar eines Ex-IN-Genesungsberaters wird besucht, psychoedukativ wird Wissen über bipolare Erkrankung und den persönlichen Umgang mit psychiatrischen Diagnosen vermittelt. Dieses Buch dreht sich elementar um das Retten und das Hilfe-Suchen und die entstehende Gemeinschaft der Patient*innen: Für Psychiatrieerfahrene eine durchaus amüsante Lektüre!
Judith Fischer
Myrthe van der Meer: Heiter bis wolkig. Ein Psychiatrieroman. Aus dem Niederl. von Melanie Czarnik. 352 Seiten, Edition Balance, Köln 2018 EUR 10,30