Uneindeutig

„Es gibt keine Handlung. Es gibt keine Protagonist_innen. Es ist beobachtetes Da_Sein“. So wird der Inhalt dieses Buches sehr treffend in einem Nachwort beschrieben. In kurzen Kapiteln, mit vielen leeren Zeilen dazwischen, finden Dialoge in einem abgelegenen Haus statt. Unklar ist, ob es innere Zwiegespräche sind, oder ob tatsächlich eine andere Person das Gegenüber ist. Denn die schreibende Person „ist Viele“, hat also – als Folge traumatischer Gewalterfahrungen– eine dissoziative Identitätsstruktur.
Das Buch führt eine gesellschaftskritische Auseinandersetzung mit Eltern, sozialem Umfeld, Identitäten, Kommunikation und Fragmenten der eigenen Vergangenheit. Sprache und Wörter werden in besonderer Weise genutzt: Bedeutungen werden dekonstruiert und verschoben, Formulierungen lassen Verschiedenes sichtbar oder mehrdeutig werden. Dabei werden eindringliche, surreal anmutende Bilder erzeugt. Die Lesenden bekommen keine Erklärungen, sondern sie werden Zeug_innen des Ringens um Wörter, um das Sagbare, um das Aufschreibbare und die Stille dazwischen.
Sara John
H.C. Rosenblatt: aufgeschrieben. 96 Seiten, edition assemblage, Münster 2019 EUR 15,50