Intersektionale Lebensgeschichten

2019 wurde der Roman „Mädchen, Frau etc.“ von Evaristo, mit dem Booker Prize ausgezeichnet; nun liegt er auch in deutscher Sprache vor. 11 fiktive generationenübergreifende Geschichten aus einem Jahrhundert über in Großbritannien lebende Frauen of Color und die Geschichte einer nicht-binären Person, werden in einzelnen Kapiteln vorgestellt. Dabei überschneidet sich das Personal in den Abschnitten und die Hauptprotagonistin wechselt jeweils. Die Lebensgeschichten sind materialreich angeordnet, so dass schon aus ihnen jeweils ein eigener Roman hätte konstruiert werden können. Künstlerinnen, Farmerinnen, Putzarbeiterinnen, Lehrerinnen und eine Investmentbankerin weisen auf das weit gestreute Repertoire der Protagonist*innen hin. Die inneren Monologe der Frauen sind facettenreich und dicht gestaltet. Was sie vereint ist, dass ihnen in einer ausbeuterischen, patriarchalen Welt, Leid zugefügt wurde. Gerahmt wird das Ganze mit der Premiere einer Theaterinszenierung der lesbischen Regisseurin Amma, bei der ein großer Teil der Figuren sich als eingeladene Gäste bündelt. An den Männern bleibt kein gutes Haar dran. Sie sind diejenigen, die vergewaltigen, ihre kinderreiche Familie verlassen, vor Arroganz nur so strotzen oder apathisch sind. Am angenehmsten sind noch die, die als Hausmänner das Empower­ment ihrer Frauen nicht behindern. Ein mit Wortwitz angereicherter Roman, der es in sich hat. Erstaunlich! 
 ML
Bernadine Evaristo: Mädchen, Frau etc. Aus dem Engl. von Tanja Handels, 509 Seiten, Klett-Cotta, Stuttgart 2021, EUR 25,70