Körperkult & Rachefantasien

„Nadine wusste, dass sie sich nicht sicher war, ob sie ein Baby wollte, und wollte es trotzdem, weil es alle wollten. Sie wollte nicht weniger wollen als alle anderen.“ Jahre später: Anwaltsgehilfin Nadine liegt mit ihrem Mann Frank im Garten, denkt über die Unförmigkeit ihrer Waden nach, da steht die Polizei vor der Tür: Ihre Tochter Mizzi hat sich vor den Zug geworfen. In Rückblenden springen wir als Leser*innen durch die Jahre, lernen Nadine kennen, wie sie als Kind nicht so recht dazugehört hat, erfahren mehr über ihre schwierige Beziehung zu ihrer Familie, ihrer Vergangenheit und verstehen so Stück für Stück mehr, was eigentlich passiert ist in dieser Familie, in der die erwachsene Tochter nicht mehr leben will. Und es scheint, als würde mit uns auch Nadine Stück für Stück mehr verstehen, realisieren, dass da mehr ist als die Frau, die sich jahrelang angepasst hat, und nicht nur Trauer, sondern auch Wut. Die Autorin Katrin Seddig skizziert das Porträt einer Frau – schonungslos, mitreißend, wenn auch manchmal zu lakonisch in seiner Passivität und Hoffnungslosigkeit, die weite Abschnitte des Buches prägen, und denen erst gegen Ende des Romans etwas entgegengesetzt wird.
Pauls
Katrin Seddig: Nadine. 301 Seiten. Rowohlt, Berlin 2023 EUR 24,70