Last der Geschichte
Deborah Feldman widmet sich in ihrem ersten Sachbuch der Frage „Was bedeutet ‚Jüdischsein’ heute?“. Vor dem Hintergrund ihrer Lebensgeschichte (nachzulesen in ihren autobiografischen Erzählungen Unorthodox und Überbitten) setzt sich die Autorin mit ihrem kulturellen Erbe auseinander: Während sie in den USA, nach ihrer Flucht aus einer ultraorthodoxen, jüdischen Gemeinde, ihrer ethnischen und religiösen Identität entkommen kann, gelingt ihr das in Deutschland nicht. Hier wird sie – wenn auch im Namen der Wertschätzung – immer wieder auf ihr Jüdischsein reduziert. Die Religion hat Feldman aber längst hinter sich gelassen. Um sich darüber hinaus mit dem Judentum zu identifizieren, sieht die Autorin zwei Möglichkeiten: „Entweder Israel oder den Holocaust“. Feldman kritisiert, dass sich vor allem in Deutschland zu viele zu sehr über die Shoah identifizieren würden. Dadurch wäre aber eine individuelle Auseinandersetzung mit dem religiösen Judentum nicht möglich. Trotz des komplexen Themas gelingt es der Autorin mit zahlreichen Anekdoten über ihre Erfahrungen und Beobachtungen in Jerusalem, Berlin und den USA eine neue Perspektive zu entwickeln. Das Buch ist ein Plädoyer für mehr Gemeinsamkeit und eine Ermutigung für alle jene, die sich aus der Falle von Gruppenzwängen befreien wollen.
Ute Fuith
Deborah Feldman: Judenfetisch. 272 Seiten, Luchterhand, München 2023 24,00 EUR