Lebenssorge als Widerstandspraxis


Im Mittelpunkt der Forschungsarbeit steht Maria Etzer, die im Nationalsozialismus zu drei Jahren Haft verurteilt wurde, weil ihr vorgeworfen wurde, dass sie einen verbotenen Umgang mit französischen Zwangsarbeitern gepflegt habe. Sowohl die Öffentlichkeit als auch die Wissenschaft nach 1945 blendete Fälle aus, die als „Geschlechtsverkehrverbrechen“ bezeichnet wurden. Wesentlich an der Aufarbeitung des hier vorgestellten Falles ist der Kampf der Betroffenen um ihre Rehabilitierung und ihre zahlreichen gescheiterten Versuche, bei den zuständigen Behörden und Gerichten eine Opferfürsorgerente zu erlangen. Zunächst führt die Historikerin Prieler-Woldan abstrakt in das Thema ein, indem sie die historischen Lebensumstände mit ökonomischen Daten untermauert. Motiviert durch die Enkelin Birgit Menne verfolgt Prieler-Woldan dann ihre konkrete gelungene Spurensuche nach Etzer, die bereits 1960 verstorben ist, sowohl anhand von Gesprächen mit ZeitzeugInnen als auch mittels Quellen aus Archiven und Sekundärquellen. Das Konzept der Lebenssorge als Widerstandsaktivität wird nachvollziehbar. Ein wichtiger Beitrag in einer Zeit, in der unangepasstes Verhalten und Menschlichkeit nicht erwünscht sind und das Einschränken von Menschenrechten politisch von Regierungsparteien laut diskutiert wird. Wehret den Anfängen. Postum wurde Etzer nach der Veröffentlichung des Werkes im Herbst 2018 rehabilitiert, nachdem der Fall auch in verschiedenen Medien rekonstruiert worden war.
ML
Maria Prieler-Woldan: Das Selbstverständliche tun – Die Salzburger Bäuerin Maria Etzer und ihr verbotener Einsatz für Fremde im Nationalsozialismus. Mit einem Nachwort von Birgit Menne. 240 Seiten, Studien-Verlag, Innsbruck/Wien/ Bozen 2018 EUR 24,90