Liebe und Wut, Tod und Tomaten

Explodieren gegen ungerechte Verhältnisse, die Kraft der Wut nutzen, um sich etwas zu getrauen, das sonst nicht gewagt worden wäre: Das verbindet die Geschichten von Ines, Katalin, Heide, Milka und Eszter im Roman der Dramatikerin und Literaturwissenschaftlerin Ursula Knoll. Im gegenwärtigen Wien angesiedelt werden ihre Geschichten sukzessive verwoben – irgendwie stehen alle zueinander in Beziehung, der Wert von Beziehungen wird in verschiedensten Konstellationen reflektiert und in Beziehung steht dies dennoch auch zu den großen gesellschaftspolitischen Fragen. Der Zynismus österreichischer Ablehnungsprosa in Asylverfahren, globale Finanzspekulationen, die Eroberung des Weltalls, die unheimliche Macht künstlicher Intelligenz in Parallele zur Ausbeutung von modernen Sklav­innen in der Landwirtschaft und den Zumutungen, die alleinerziehenden Müttern abverlangt werden. Themen und Protagonist­innen sind wohldurchdacht, auch Vorkommnisse wie Omofumas Tod sind eingearbeitet in einen Text, der wie die Darstellung des politisierten Denk- und Anspruchskosmos links-queerer Aktivist*­innen daherkommt. Das wirkt anfänglich etwas dick aufgetragen, entwickelt sich aber zu einer spannenden Geschichte mit berührenden Situationen, Twists und Wendungen, Tränen und heißem Sex am Donaukanal. Und so lässt sich dieser Roman auch lesen als eine Möglichkeit, wie sich das Utopische im so hochgradig widersprüchlichen Realen in kleinen und großen Situationen ebenso wie im Umgang miteinander umsetzen lassen könnte.
Meike Lauggas
Ursula Knoll: Lektionen in dunkler Materie. 248 Seiten, Edition Atelier, Wien 2022 EUR 22,00