Lyrik in zwei Sprachen
„Der Sonnenball/Schwindet in die Polarnacht/Um im Frost zu verglimmen“ – es sind Verse wie dieser, die in der Gedichtsammlung „Sahne für die Sonne“ der samischen Autorin Inger-Mari Aikio die acht Jahreszeiten Lapplands fühlbar machen. Entstanden sind die Gedichte in einem gemeinsamen lyrischen Musikprojekt der Autorin mit dem finnischen Musiker Miro Mantere. Der Form nach sind die kurzen Gedichte eine Mischung aus Haiku und Tanka, die Aikio „Taiku“ nennt. Ausgehend von Naturmotiven schrieb die zweisprachige Autorin insgesamt über 300 Gedichte, teilweise auf Samisch, teilweise auf Finnisch, wobei immer zwei einander inhaltlich entsprechen, aber nicht wortwörtlich übersetzt sind, sondern in der jeweiligen Sprache dieselbe Wirkung mit den jeweils am besten passenden sprachlichen Mitteln erzeugt wird. Um diese Dopplung auch für eine deutsche Ausgabe nachvollziehbar zu machen, wurde mit zwei (ebenfalls verwandten) Zielsprachen – Deutsch und Englisch – gearbeitet. Studierende der Uni Bielefeld arbeiteten dafür mit erfahrenen Dozentinnen und professionellen literarischen Übersetzerinnen zusammen. Das Ergebnis ist somit nicht nur in den lyrischen Naturbeschreibungen in jeder Sprache interessant, sondern auch in der Zusammenschau beider Übersetzungen und dem Herantasten an die sprachlichen Nuancen. „Even the sun must/Surrender into the polar night/Let it lead into the frost”. Ein Must-Read.
ESt
Inger-Mari Aikio: Sahne für die Sonne. Aus dem Finn. und Samischen von Anna Lenz und Georgina Willms. 94 Seiten, Hans Schiler, Berlin – Tübingen 2018 EUR 16,50