Mutige Feigheit
Auch Sukares zweiter Roman wendet sich der Aufarbeitung des Nationalsozialismus zu. Im Mittelpunkt stehen die Täter und Opfer einer kleinen Gemeinde mit dem Namen Stumpf, wo der Brückenmeister Paul als Urenkel der Landarbeiterin Rosa aufgewachsen ist. Rosa wurde gefoltert und war einige Jahre in einem Konzentrationslager, nachdem ihr Sohn nach einer Kriegsverletzung desertiert war. Paul setzt sich nach deren Tod in den 1990er Jahren für die Rehabilitation seiner Verwandten in der Gemeinde ein, nachdem er wahrgenommen hat, dass in einer veröffentlichten Dorfchronik ein Nationalsozialist als Held und Retter der Gemeinde hochstilisiert wird und die Opfer des Unrechtsregimes als „gefährliche Landplage“ diffamiert werden. Die Geschichte ist als Monolog des Hauptakteurs konzipiert, dessen Beruf Brückenbauer als Metapher für die soziale Verständigung eingeflochten wird. Sein soziales Umfeld begleitet ihn mental bei seinen akribischen historischen Recherchen. Es geht Paul um den Blick von unten auf die Geschichte eines Ortes und dabei um eine Kritik an der gesellschaftlich fragwürdigen Deutungshoheit, welche schwer zu durchbrechen ist. Ein sprachlich gelungener Roman genau zur richtigen Zeit, der auch philosophische Einsichten in einem endlichen Leben zu Tage fördert.
ML
Hanna Sukare: Schwedenreiter. 171 Seiten, Otto Müller Verlag, Salzburg – Wien 2018 EUR 20,00