Mutters Veränderung

Karen-Susan Fessels neues Werk ist ein dokumentarischer Roman über ihre Mutter Anke Fessel. Die Mutter lebt nach dem Auszug der Kinder und dem Tod des Vaters allein in dem Einfamilienhaus der Familie. Mit 76 Jahren stürzt sie beim Bettenmachen und bricht sich den Oberschenkel. In mühevoller Kleinarbeit robbt sie sich zum Telefon um ihre Freundin Anna anzurufen, nicht die Rettung. Anna soll ihr zunächst helfen sich anzuziehen und ein paar Sachen fürs Spital zu packen. Sie hat nicht vor, dem Schicksal so vieler alter Frauen zu folgen und ihre Mobilität zu verlieren. Zugleich ist es für sie klar, dass sie nicht mehr in dem Haus wohnen bleiben wird. So kommt sie nach dem Spital nur mehr einmal zurück, um ihre Sachen zu packen, und zieht in eine kleine Wohnung in einem SeniorInnenwohnhaus. Was für die Mutter ein leichter Abschied zu sein scheint, stellt sich für die Autorin selbst nicht so leicht dar – das Haus ist ein Mietshaus, wenn es zurückgegeben wird, dann kann sie es nur mehr von außen betrachten – auch sie verliert dadurch in gewisser Weise ihr Zuhause.
Schön ist die Beschreibung der Mutter-Tochter-Beziehung. Zwischen die Abschnitte der Geschichte schiebt Fessel eine ausführliche Schilderung der Vergangenheit der Mutter und zieht Brücken zur Gegenwart, sie arbeitet somit auch das Leben ihrer Mutter ein Stück weit auf. Schön zu lesen.
gam
Karen-Susan Fessel: Mutter zieht aus. 254 Seiten. Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke, Tübingen 2018 EUR 15,40