Nationalistische Kampfschrift

Der Essay der ukrainischen Autorin Oksana Sabuschko ist eine emotionsreiche Ansammlung kultureller Eindrücke, wie sich das Verhältnis der Ukraine zu Russland im Laufe der Geschichte verschlechtert hat. Zeitgleich mit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine befindet sich Sabuschko auf einer Buchreise nach Polen. Ca. zwei Monate danach schreibt sie diesen Essay. Sie kommentiert subjektiv ohne Quellenangaben die wichtigsten Ereignisse in den Jahren zuvor, also nach dem Untergang der Sowjetunion Ende der 1980er Jahre. Die orange Revolution um 2004, die riesigen Demonstrationen und die Besetzung am Maidan-Platz 2014 in Kyjiw, die zum Rücktritt und zur Flucht des Präsidenten und Oligarchen Janukowitsch nach Russland führten, werden beschrieben. Auch die Annektierung der Krym durch Russland findet selbstverständlich Erwähnung. Der oft wütende Ton der Autorin erschwert jedoch den Blick auf die Verhältnisse. Das westliche Assoziierungsabkommen der Ukraine mit der EU und das Interesse der Ukraine, der Nato beizutreten, sind für die Autorin als Phänomene, mit denen mögliche Erklärungen für den Angriffskrieg zu finden wären, kein Thema. Der aggressiv nationalistische Ton der Autorin, der jegliche Feindseligkeit gegenüber Russland legitimiert, ist nur schwer aushaltbar. Die gesamte russische Gesellschaft wird über einen Kamm geschoren, während auf der eigenen Seite die ukrainische Gesellschaft mit all ihren reaktionären Elementen weißgewaschen wird. Soziale und ökonomische Differenzen werden in beiden Gesellschaften ausgeblendet, das ist ermüdend und entbehrlich und letztlich führt so etwas nur zur Produktion von Feindbildern. Schade, nein danke!

ML

Oksana Sabuschko: Die längste Buchtour. Aus dem Ukrain. von Alexander Kratochvil. 176 Seiten, Droschl, Graz 2022 EUR 22,00