Nur der Kunst verschrieben (?)
Einer Künstlerin wie Anita Rée (1885-1933) literarisch ein Denkmal zu setzen, ist ein lobenswertes Unterfangen. Aufgewachsen in Hamburg, machte sich die Malerin mit jüdischen Vorfahren nach Stationen in Paris und Italien einen Namen als ernstzunehmende Vertreterin der europäischen Avantgarde. Der in Deutschland grassierende Antisemitismus erschwerte ihre Situation jedoch zusehends – besonders die Verhinderung von Aufträgen wurde zum Problem – und hatte schließlich fatale Auswirkungen: Anita Rée nahm sich 1933 das Leben.
Obwohl die Autorin Karen Grol ausführlich recherchiert zu haben scheint – das legen sowohl Romanstruktur als auch ein umfangreiches Quellenverzeichnis nahe – wird sie der porträtierten Künstlerin in diesem biografischen Roman nur bedingt gerecht. Die auftretenden Figuren wirken schablonenhaft und gewinnen wenig an Tiefe; Dialoge, Charakter- und Landschaftsbeschreibungen kommen allzu trivial daher und lassen vermuten, dass hier zugunsten einer geradlinigen Erzählung recht stark in Klischees gedacht wurde. So präsentiert der Roman eher das stereotype Bild der unverstandenen, nur der Ästhetik verpflichteten Künstlerin, statt eine differenzierte Auseinandersetzung mit ihrer persönlichen und künstlerischen Entwicklung zu bieten. Trotzdem kann das Buch positiv zu einer feministischen Erinnerungskultur beitragen, indem es Anita Rées (fiktionalisierte) Biografie einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich macht und dem Vergessen ihrer Lebensgeschichte entgegenwirkt.
ReSt
Karen Grol: Himmel auf Zeit. Die vergessene Künstlerin Anita Rée. 317 Seiten, ebersbach & simon, Berlin 2020, EUR 22,70