Poetisches Knochengeklimpere
„Komm, schnüren wir die Knochen,“ der Titel des nun in deutscher Übersetzung vorliegenden Gedichtbands der auf Slowenisch schreibenden österreichischen Autorin Cvetka Lipuš, hält – mit „auch wir“ minimal variiert – einen Zyklus von fünf Gedichten zusammen: „Dies ist die Zeit der Zauberer und Magier. Der Wille läuft keinem geckenhaften Erfolg mehr hinterher. An die Tür klopft kein Vertrauen mehr, bis an die Zähne mit geflügelten Worten bewaffnet, die den überraschten Morgen herumkriegen sollen. Rituelles Geklimpere mit Wortekleingeld.“
Es sind spröde, charmante Gedichte von großem Sprachbewusstsein, oft undurchdringlich, opak, dann wieder von beinahe alltäglicher Direktheit, Nachvollziehbarkeit, die eine Bewegung vom Allgemeinen, Kosmischen zum Eigenen, zu körperlichen Vorstellungen und Gedanken und wieder zurück vollziehen, in deren Zentrum die Frage nach dem Sinn steht, die Angst vor dem Sinnlosen und dessen Anziehung. Wichtiges Thema ist das Altern, körperlich vor allem, aber auch in Bezug auf das gelebte Leben, auf ein Du – zentrales Stilmittel vieler dieser Gedichte, die mal einen verzweifelten, mal einen zarten, aber auch trotzigen und sogar verhalten komischen Ton haben. Der Körper erscheint als ein Haus, als Gehäuse, als Konstrukt von Körperteilen, als Behältnis für ein sich Rechenschaft ablegendes lyrisches Ich, das sich, an der Grenze von Nacht und Tag, in der Region eines unerbittlich einbrechenden Morgens, oft halbherzig, dem Sog der Auflösung – sowohl von Sinn als auch von körperlicher Unversehrtheit, Schönheit, Jugend – entgegenstemmt. Keine einfache, aber eine aufregende Lektüre!
SaZ
Cvetka Lipuš: Komm, schnüren wir die Knochen. Gedichte. Aus dem Slow. von Klaus Detlef Olof. 119 Seiten, Otto Müller Verlag, Salzburg/Wien 2019, EUR 20,00