Punk-Original
Ein Jahr lang trifft Ela Angerer Marianne Kohn samstags zum Gespräch, um den Stoff für eine bemerkenswert bewegte und wohl beispiellose Biografie zu sammeln. Es ist mehr als ein Abriss der wilden Jahre der Wiener Szene, mehr als ein Portrait einer unheimlich starken Barfrau inmitten der aufkeimenden und fulminanten (Mode-, Musik- und Club-)Kultur der 1970er und 80er Jahre. Die Königin der Nacht schildert eine vielschichtige Innenansicht derselben, eine Kontextualisierung für das, was es wirklich heißt, als Frau im Nachtleben dieser Zeit erfolgreich zu bestehen. Ihre Bekanntschaften mit Alice Cooper, Jimi Hendrix, Andy Warhol und dergleichen erwähnt sie dabei eher beiläufig. Die 1945 geborene Tochter einer Wiener Claqueurin verfiel der Musik als Jugendliche erstmals in der Oper, eine Leidenschaft, die sie bis heute hochhält. Mit 18 machte sie sich auf nach Rom, um in der Cinecittá als Cutterin beim aufblühenden italienischen Film zu arbeiten. Im mondänen Rom der 1960er Jahre gab es außerdem keine Schranken mehr, was extravagante Outfits betrifft. Eine Passion, die zu ihrem Markenzeichen wird (Stichwort: Ozelotmantel) und die sie später auch mit ihrem Freund und Wegbegleiter Helmut Lang teilen wird. Marianne Kohn kehrt Anfang der 1970er Jahre für einen Besuch nach Wien zurück, wo sie sich verliebt und spontan bleibt. Im Dunstkreis des Schoko und später des U4 wird sie zur respekteinflößenden und allseits bekannten Ikone des Wiener Nachtlebens. Dieses Buch ist innen wie außen Punk und Glamour zugleich. Eine Empfehlung.
Miriam Danter
Ela Angerer: Königin der Nacht. Marianne Kohn und die wilden Jahre der Wiener Szene. 160 Seiten, 120 Abb., Brandstätter, Wien 2021 EUR 36,00