Seelenmord und Fremdplatzierung
Anhand von zwei biografischen Schicksalen bereitet Lisbeth Herger das Thema gewalttätiger Übergriffe in schweizerischen Kinderheimen auf und zeichnet anhand dieser konkreten Erfahrungen die daraus entstandenen typischen Folgen für die beiden Betroffenen in ihrem Erwachsenenleben nach. Posttraumatische Belastungsstörungen, Depressionen, Versagensängste und Lebenskrisen durchlaufen deren persönliche Geschichte und haben sich in ihre Körper eingeschrieben.
Zur Untermalung zieht die Herausgeberin außerdem den Briefwechsel der beiden Personen heran. Diese nehmen vermittels persönlicher Recherchen Jahrzehnte später wieder Kontakt zueinander auf, nachdem sich ihre Wege in der Kindheit einige Jahre lang in der Heimunterbringung Wiesengrund kreuzten. Beide arbeiten noch immer daran, die persönlich erlittenen Schäden zu verarbeiten. Die Aufarbeitung zeigt, dass die Schäden nicht mit monetärer Wiedergutmachung kompensiert werden können. Ebenso wird deutlich, dass neben den unmittelbaren GewalttäterInnen eine Menge weiterer AkteurInnen für das Leid der Opfer verantwortlich waren, da sie die haltlosen Zustände in den jeweiligen Heimen nicht hinterfragt und auf Hilfeschreie nicht adäquat reagiert haben und damit das Leiden der Betroffenen perpetuiert haben. Es ist eine gelungene Aufarbeitung einer dunklen Geschichte, die Menschen eine Stimme gibt, deren Leid zu lang von der Öffentlichkeit ignoriert wurde.
ML
Lebenslänglich – Briefwechsel zweier Heimkinder. Hg. von Lisbeth Herger 321 Seiten, Hier und jetzt, Baden 2018 EUR 34,00