Sich im Alter Familie sein
Vier Frauen um die 70 stehen in Susanne Scholls Roman im Mittelpunkt: Ella hat ihren geliebten Ehemann gepflegt, bis er friedlich gestorben ist; unterstützt wurde sie dabei von Rada, der rumänischen Pflegerin, deren eigenes Lebensglück mit dem Tod der Eltern und der Ausreise ihrer Lebensliebe zu enden scheint; Ellas Schwester Maggie ist Übersetzerin und wird zur mondänen Ehefrau eines Diplomaten, und Nachbarin Luise versammelt als Rechtsanwaltsgattin alles Unglück einer Frauenbiografie: Ungeliebt, erniedrigt, ausgebeutet und schließlich für eine Jüngere verlassen. Zu den titelgebenden „Damen des Hauses“ wird dieses Quartett im Rahmen einer zusammengewürfelten Wohngemeinschaft, in die jede ihren biografischen Rucksack, ihre Marotten und Eigenheiten mitbringt. Rada begibt sich nie auf eine gleichrangige Beziehungsebene, bekocht und putzt weiterhin, was die anderen gerne annehmen. Konfliktfrei ist das Zusammenleben nicht und abgehandelt werden nicht nur die Rückblicke und offenen Wünsche der vier alternden Frauen, sondern auch die politischen Kontexte. Der Roman spielt in Wien 2019, die „Omas gegen Rechts“ sind ein Referenzpunkt in der Kritik an einer Regierung, die rechts-konservative bis rechtsextreme Positionen einnimmt – eine der Protagonistinnen unterstützt die Omas, die andere die Regierung und dann wird gestritten. Doch auch die Beziehung zu (den eigenen) Kindern, Sexualität, Lesben, Diabetes, Demenz, Angst vor Krankheit und Tod werden Thema in einem Text, der als einer von wenigen den Alltag älterer Frauen würdigt und ein Plädoyer für selbstgewählte Familienformen darstellt.
Meike Lauggas
Susanne Scholl: Die Damen des Hauses. 246 Seiten, Residenz Verlag, Wien 2019, EUR 22,00