Sozialpionierin aus gutem Hause
Mentona Moser hätte ich gerne als Freundin gehabt. Ihre Willensstärke und Tatkraft, ihr Sinn für Gerechtigkeit und der damit verbundene Mut imponieren mir. Leider bin ich zu spät dran. Die Schweizerin, geboren 1874, verstarb nach einem langen und bewegten Leben im Jahre 1971. Sie geriet in Vergessenheit, bis ihr Eveline Hasler mit dem biografischen Roman „Tochter des Geldes“ nun ein eindrucksvolles Denkmal gesetzt hat. Wie schwer es gewesen sein muss, Mosers viele bedeutende Lebensstationen auf weniger als 300 Seiten einzufangen! Moser verbringt ihre Kindheit in der Schweiz in Reichtum, jedoch in Isolation und ohne elterliche Liebe – der Vater stirbt kurz nach ihrer Geburt, die Mutter ist gefühlskalt und launisch. Mit dem Internat in London eröffnet sich Moser eine neue Welt der Freiheit. Sie bekommt mit, wie das Proletariat in Armut lebt. Ihre empathische, mitfühlende Seite tritt in den Vordergrund und sie wird Sozialhelferin. Zurück in der Schweiz initiiert sie dort die Einführung der Ausbildung für Sozialarbeit. Nach und nach wird der Kommunismus zu ihrem Ideal. Sie möchte sich an dem Aufbau einer neuen Welt in der Sowjetunion beteiligen und gründet dort ein Waisenhaus. Die Machtübernahme Stalins zeigt ihr die Grenzen ihrer Utopie auf. Moser bleibt jedoch ihrer Grundidee einer gerechteren Welt treu und schillert als Sozialrevolutionärin und Feministin als eine der prägendsten Figuren ihrer Zeit. Die Autorin Hasler versteht es, die Lesenden in Mosers spannendes Leben einzufangen.
Birgit Coufal
Eveline Hasler: Tochter des Geldes. 288 Seiten, Nagel & Kimche, München 2019 EUR 23,70