Überlebenskämpfe mit Dämonen

Ulrike Edschmids Romane bestehen aus Schnittflächen zum Leben der Autorin, so auch in diesem dichten, kurzen Roman. Als Ich-Erzählerin umschreibt sie die Suche nach Geborgenheit einer vormaligen Mitbewohnerin in ihrer Wohngemeinschaft, die von 1973 bis Ende 1975 mit ihr zusammenwohnt, mit der sie Briefkontakt hat, Tonbandaufnahmen macht und telefoniert. Die Protagonistin studiert erfolgreich, folgt einem anarchistischen Geliebten nach Barcelona und setzt sich nach gescheiterter Beziehung nach Lateinamerika ab. Dort ist sie als Linke im Kampf gegen verschiedenste Militärdiktaturen aktiv, wobei sie die Länder so rasch wie die Geliebten wechselt. Nie fühlt sie sich aufgehoben, immer suchend, immer fragend, immer enttäuscht, nie kommt sie an. Sie kehrt etwa 20 Jahre später nach Spanien zurück, studiert Psychologie, spezialisiert sich auf Traumaforschung und macht eine körpertherapeutische Ausbildung. Die namenlose Protagonistin therapiert 10 Jahre lang eine junge, traumatisierte, drogenabhängige Frau, die mit 14 Jahren von zu Hause weggelaufen ist. Die junge Frau mit Namen N. wie Niemand schweigt, verständigt sich die ersten Jahre nur über Körpersprache. Die Therapeutin erkrankt an Krebs, gerät an ihre Grenzen, will die sie überfordernde Therapie beenden und holt sich Anregungen von anderen erfahrenen Therapeut*innen. Schließlich ist es die Angst vor dem Vater ihrer Patientin, unter der sie selbst leidet. Am Ende eine Katharsis und ein Rollentausch!

ML

Ulrike Edschmid: Die letzte Patientin. 111 Seiten, Suhrkamp, Berlin 2024 EUR 23,50