Umverteilung mit schwarzem Humor

Die heutige Gesellschaft nähert sich dem 19. Jahrhundert immer mehr an – diese Ahnung fand Strafverteidigerin und Autorin Hannelore Cayre bei der Lektüre von Thomas Pikettys Kapital im 21. Jahrhundert bestätigt. Im neuen Roman stößt ihre Protagonistin Blanche de Rigny bei einem Besuch in der Bretagne auf Verwandtschaft, eine erfolgreiche Unternehmerfamilie aus dem 19. Jahrhundert. Anschaulich werden Szenen aus dem Paris der Gründerzeit eingeflochten: die heutigen reichen Erben der kolonialistischen Unternehmen sind politisch vernetzt und agieren ohne Rücksicht auf Mensch, Tier und Umwelt. Blanches juristische Recherchen fördern Unterlagen zutage, die zu aktuellen dubiosen Machenschaften der Verwandtschaft in Côte d’Ivoire führen. Nachdem sie diese Informationen leakt, erfolgt ein Shitstorm, in dessen Folge Blanche, ihre beste Freundin Hildegarde und Tochter Juliette einen Plan ersinnen, um das Vermögen im Sinne des Gemeinwohls einzusetzen: „Gerichtlich gegen Unternehmen vorgehen, die die Umwelt zerstören und die öffentliche Meinung manipulieren, den von wissenschaftlichen Gutachten gestützten Gedanken lancieren, dass der Verzehr von Tieren aus Intensivhaltung Hauptverursacher des Alzheimer-Booms ist, weil ihr Fleisch aufgrund der lebenslang erlittenen Qualen mit Toxinen verseucht ist. (…) Das Gleiche machen wir mit den Konzernen, die für siebzig Prozent der Klimaerwärmung verantwortlich sind.“ Ein radikaler, anarchischer und amüsanter Noir mit profundem Wissen.
Susa
Hannelore Cayre: Reichtum verpflichtet. Aus dem Franz. von Iris Konopik. 256 Seiten, Argument 2021 EUR 19,70