Ungebärdig in Erscheinung treten
… war schon immer der Autorin Lebenselixier. Bis heute, in einem Alter, in dem sich andere schon längst in den Ruhestand versetzt haben. Nicht so sie, die es noch immer wagt von Entwürfen zu sprechen und nicht von (Aus-)Schließungen, hat in Referenz auf Ingeborg Bachmanns ‚Die Prinzessin von Kagran‘ (die es nie wirklich, aber in der Poesie als mit ihrem Rappen verschmelzend gegeben hat) einen irritierenden wie irisierenden Gedichtband herausgegeben und damit sich selbst der Öffentlichkeit preisgegeben. Dazu gehört Mut. Seit Jahren in Kagran lebend, diesem porösen Gebiet zwischen Uno-City und Sümpfen, gilt es eine tänzerische Bodenhaftung, ein Frauenleben wider die Norm auszuloten. Die über Jahre verfassten Poeme spiegeln – zwischen Versöhnung und Aufbegehren – Alltagsleben (ein Suppenkochen mit der Enkelin, z.B.), dialektale Entäußerungen (die sich der Rezensentin entziehen), feministische Religions- und Umweltzerstörungskritik, Tomboys vor 60 Jahren, Frauenlieben in allen nicht nur mentalen Lagen, Rassismen in der U-Bahn, persönliche Trauerarbeit und vieles mehr. Dabei suchen die Texte immer wieder das Weite und bleiben doch nah dran. Ein bezauberndes Buch – keine Seite gleicht – nicht nur ästhetisch – der anderen. That’s it.
Birge Krondorfer
Brigitte Menne: Die Kentaurin von Kagran. Zorn- und Liebesentwürfe. Mit Zeichnungen von Christian Bazant-Hegemark, 191 Seiten, fabrik transit, Wien 2020 EUR 18,00