Untersuchungsobjekt Betriebsrat

Ein Expert­­innenteam untersucht Arbeiter­­innenvertretungen im Spätkapitalismus und Betriebsratskörperschaften in Deutschland nach ihrer Diversität. Der Schwerpunkt der Studie liegt auf Geschlechterpolitik, Generationenwechsel und der Fragestellung nach der Geschlechterordnung in Betriebsräten, wie sich diese bei der Nachwuchsrekrutierung und beim Wissenstransfer abbildet. Mit qualitativen Interviews wurden sechs Betriebsratskörperschaften befragt. Anders als in Österreich gibt es in Deutschland eine Geschlechterquote für Betriebsräte, sodass sich in einzelnen Körperschaften ‚Quotenfrauen‘ finden, die sich aber durchaus als engagierte Betriebsrät­­innen erweisen. Auch das demokratische Mittel der persönlichen Direktwahl ist in Deutschland erlaubt, sodass es bei der Vermeidung der verbreiteten Listenwahlen eine basisdemokratische Lösung gibt. Selbst in einem Betrieb mit persönlicher Direktwahl wurde jedoch keine Körperschaft gewählt, die ausgewogen Alter und Geschlecht der Arbeiter­­innenschaft repräsentiert. Zu denken gibt mir die Feststellung, dass das Zögern weiblicher Arbeiter­­innen, sich für den Betriebsrat zu engagieren wegen geplanter Schwangerschaften und Elternkarenzen, als Zeichen eines ‚biologistischen Geschlechterbildes‘ gewertet werden kann. In Österreich ist es für Väter oft gar nicht einfach, eine geplante längere Elternkarenz gegenüber den Arbeitgeber­­innen durchzusetzen. Die Institution von fraktionierten Vertrauensleuten in Deutschland wirkt gegenüber dem österreichischen System demokratisch fortschrittlicher. Es ist nicht ausgewiesen, ob die Autor­­innen in den Betrieben, in denen sie tätig sind, selbst in Betriebsarbeit involviert sind, was eine mögliche Parteilichkeit nicht transparent macht. Für einschlägige Wissenschafter­­innen und Aktivist*­­innen durchaus interessant.
Sena Doğan
Nur Demir, Maria Funder, Ralph Greifenstein u.a.: Diversität und Interessenvertretung – zwischen Beharrung und Bewegung. Geschlechterpolitik und Generationswechsel im Betriebsrat. 253 Seiten, Nomos, Baden Baden 2022 EUR 55,60