Verlorene und bewahrte Momente

Verschiedene Lebensabschnitte der Protagonistin Elsa verbinden sich in dieser Novelle der Kärntner Autorin. In Rückblicken auf Dialoge mit dem Lebensgefährten Adam, der in einer Gewitternacht verschwindet, in analytischen Beobachtungen von Stadt- und Landmenschen und in Reflexionen auf ihr früheres Ich in unterschiedlichen Konstellationen entsteht das Bild einer sensiblen und feministisch orientierten Frau, die mit sezierendem Blick die Lebens­traum-Bubbles des bürgerlich arrivierten Mittelstands auseinandernimmt. „Auf den Küchentischen türmten sich nun Fläschchen statt Rotweinflaschen (…) Zum Wohl des Kindes ernährte man sich biologisch, fand sich in die elterliche Vorbildrolle ein, beschenkte sich gegenseitig mit pädagogisch wertvollem Spielzeug aus dem Weltladen und spähte nach im Nachwuchs verborgenen Hochbegabungen, die es mit allen Mitteln zu fördern galt.“ Wenn die früheren Freundinnen plötzlich mit Genuss in reaktionäre weibliche Rollenmuster zurückfallen, auf kindersichere Sprache bestehen, wenn der Nachwuchs mithören kann und der Name des Winzers, der den eben kredenzten Wein gekeltert hat, wichtiger als ein fundiertes Gespräch wird, fühlt sich Elsa verloren, fehl am Platz und geradezu enttäuscht, wobei sie immer wieder nachspürt, welche Veränderungen die voranschreitende Zeit in ihr selbst bewirkt hat. Die Autorin, die bereits drei Kriminalromane veröffentlicht hat, verfügt über hohe Sprachsensibilität, mit der sie nicht nur ihre messerscharfen und oft bösen Analysen präsent macht, sondern auch Innenzustände wie die Flucht vor der Welt mit ihren hohlen, gefühlsarmen Verbindungen und die Zuflucht in Naturräume darstellt. Verschiedene Tiere wie Pferde, Schmetterlinge, Vögel und der Hund bieten dabei mehr kommunikative Zuflucht als die Menschen.
Susa
Elisabeth Lexer: Fluchttiere. 142 Seiten, Oberwart, edition lex liszt 2022 EUR 19,00