Vom Chez Romy Haag nach Bayreuth

In der Autobiografie von Nora Eckert schildert sie ihren Weg der Selbstfindung als trans*Frau im Westberlin der 70er Jahre. Als junger Mann flüchtete sie sich auf diese Insel der Seeligen, um dem Wehrdienst zu entgehen, landete im Nachtleben und arbeitete im damals bekanntesten Travestieclub Europas, um dann zu einem fast bürgerlichen Leben zurückzukehren und eine Nebenkarriere als autodidakte Opernkritikerin zu starten. Alles wird dabei umrahmt von einer selbst uneindeutigen Stadt, mit all ihren Freiheiten und Möglickeiten. Das Buch ist nicht streng chronologisch aufgebaut und der Ton, in dem Nora Eckert erzählt, fühlt sich manchmal an, als würde man ihr an einem Küchentisch gegenübersitzen, an einem Nachmittag in Berlin, der, während man ihr gefesselt lauscht, unbemerkt zum Abend wird und sie einem mit Witz und Abgeklärtheit von staatlicher Übergriffigkeit und Disco-Nightlife erzählt, im Hintergrund eine Oper laufend. Dies ist nicht alleine die Geschichte einer trans*Frauwerdung, sondern des lebenslangen Prozesses einer Menschwerdung, des kompromisslosen Nachforschens und Integrierens von allem, was man ist, denkt, fühlt und begehrt.

Mima Schwahn

Nora Eckert: Wie alle, nur anders. Ein transsexuelles Leben in Berlin. 208 Seiten. Verlag C.H. Beck, München 2021 EUR  22,90