Warum doch nicht alles möglich ist

In ihrer arbeitssoziologischen Studie über die Berufsverläufe junger IndustriearbeiterInnen legt Carina Altreiter in kritischer Auseinandersetzung mit subjekt­orientierten soziologischen Ansätzen dar, dass die Klassenherkunft bestimmend für den Spielraum und die Entscheidungsmöglichkeiten dieser Gruppe im Kontext der Erwerbsarbeit ist. Basierend auf Interviews mit 20 jungen ArbeiterInnen zeichnet Altreiter deren Entscheidungen, Verhaltensweisen, Problemlösungsstrategien im Kontext von Berufswahl und Arbeitsplatz nach. In ihrer Unterschiedlichkeit weisen diese Berufsbiografien dennoch gemeinsame, klassenspezifische Bezugspunkte, etwa eine Disposition für manuelle und körperliche Arbeit, auf, die die Reproduktion von Klassenverhältnissen begünstigen.
Altreiter bezieht sich dabei auf Bourdieus Konzepte des sozialen Raums und des Habitus. Der „Möglichkeitsraum“ von Angehörigen einer bestimmten sozialen Schicht bzw. Klasse ist demnach durch ein „inkorporiertes“ Geflecht von Wahrnehmungs-, Interpretations- und Handlungsschemata strukturiert und limitiert. Die theoretisch wie methodisch fundierte Beschreibung dieser Vermittlungsebene zeichnet die Studie aus. Die Nachzeichnung der permanenten Herstellungsleistung dieser fragilen „Passungen“ zwischen subjektiven Ansprüchen und objektiven Bedingungen ermöglicht nicht nur ein besseres Verständnis der Dialektik von Subjekt und Klasse, von Position und Disposition, sondern beinhaltet auch das gesellschaftskritische Potenzial dieser Studie.
SaZ
Carina Altreiter: Woher man kommt, wohin man geht. Über die Zugkraft der Klassenherkunft am Beispiel junger IndustriearbeiterInnen. 308 Seiten Campus, Frankfurt/M. 2019 EUR 39,95