Warum mein Herz, nimm mein ganzes Leben

Wo Wälder gestanden hatten, schossen Wolkenkratzer und Stahlfabriken aus dem Boden, Flüsse wurden in Flaschen gefüllt und in Supermärkten verkauft, Fische wurden in Dosen verpackt, Berge wurden abgebaut und in glänzende Geschosse verwandelt. Riesige Dämme brachten die Städte zum Leuchten wie Weihnachtsbäume. Alle waren glücklich.“

Arundhati Roy hat nach 20 Jahren wieder einen Roman geschrieben. Die politische Situation in Indien mit all ihren Problemen wie Umweltzerstörung, Nationalismus, Rassismus, Armut, Kastenwesen, Konflikten zwischen Hindus und Muslim_innen sind die Hintergrundmusik zur Handlung. Old Delhi ist das Zuhause der Heldinnen und Helden dieses Romans. Anjum ist eine Hijra – so werden Transgender-Menschen in Indien genannt –, ein Dalit nennt sich Saddam Hussein, Tilo ist das Kind einer syrischen Christin und einem Dalit, ihre Mutter gab sie nach der Geburt in ein Waisenhaus und adoptierte sie später. Sie alle sind Ausgestoßene der indischen Gesellschaft, die sich auf dem Rücken der Armen und Ausgegrenzten modernisiert. Die Leserin bewegt sich durch die Straßen Old Delhis und ist immer wieder fassungslos ob der Geschichten, die ihr begegnen. Es dauert manchmal etwas länger bis der Faden in den Geschichten wieder gefunden wird und frau sich in der Vielstimmigkeit und den verschiedenen Erzählsträngen orientieren kann. Arundhati Roy hat ohne Zweifel Erzähl­talent und die Lektüre nimmt eine – trotz Ermüdungserscheinungen ob der Vielfalt an Themen, die angerissen werden – dann doch immer wieder gefangen.

Maria Schernthaner

Arundhati Roy: Das Ministerium des äußersten Glücks. Aus dem Engl von Anette Grube. 560 Seiten, S. Fischer, Frankfurt/M. 2017 EUR 24,70