Wendehals

Silke Maier-Witt gilt als eine der wenigen aus dem „engeren Kreis der RAF, die sich öffentlich selbstkritisch äußert“ und um Aussöhnung mit den Söhnen der Getöteten bemüht ist, konnte ich in dem Wikipedia-Eintrag unter ihrem Namen lesen. In ihrer Autobiographie schildert Silke Mayer-Witt ihre Kindheit im Schwarzwald, ihr distanziertes Verhältnis zu ihrem Vater, ihre Jugendjahre, als sie in den 1970er Jahren unterschiedliche politische Zusammenhänge ausprobierte und schließlich beim Unterstützungskomitee für politische Gefangene landete. Das war ihr Einstieg in die Rote Armee Fraktion, aus der sie nach kurzer Zeit wieder ausstieg und in der DDR untertauchte. Die Zeit im Untergrund liest sich hölzern und distanziert, wie der Bericht einer Kronzeugin erwarten lässt, was sie in ihrem Verfahren nach der Eingliederung der DDR in die Bundesrepublik im Rahmen der Wiedervereinigung auch war. Spannend zu lesen sind die Erzählungen über die Jahre, die sie in der DDR lebte und arbeitete, sowie die Schilderung ihrer Beziehungen zur Staatssicherheit. Erstaunlich ist allerdings auch hier, wie schnell sie sich von einer vormals vertretenen Position distanzieren kann. Das Buch endet mit der Darstellung einer Reihe von Gesprächen, einerseits mit dem jüngsten Sohn von Hans Martin Schleyer, andrerseits mit ehemaligen Mitstreiter*innen. Auch den Einsatz für die deutsche Entwicklungshilfe im Kosovo findet sie erzählenswert. Eine theoretische Auseinandersetzung jenseits von pauschalen Absagen an Gewalt habe ich vermisst.
Susi Falke
Silke Maier-Witt und André Groenewoud: Ich dachte, bis dahin bin ich tot. Meine Zeit als RAF-Terroristin und mein Leben danach. 384 Seiten, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2025 EUR 26,80