Wichtige Erinnerungen
„Über die Männer auf dieser Welt wird grundsätzlich viel erzählt. Die Geschichten der Frauen fehlen“. Gün Tank erzählt in ihrem Debütroman abwechselnd und zeitversetzt die Geschichte der 22-Jährigen Nour, die in den 1970er Jahren von Instanbul als Gastarbeiter*in in die Oberpfalz kommt, und von deren Tochter Su, die bereits in Deutschland geboren ist und deren Erfahrungen/Erinnerungen fast kommentarhaft eingefügt werden. Nour steht stellvertretend für eine ganze Generation von Frauen, die als Gastarbeiter*innen nach bspw. Deutschland gekommen sind und deren Geschichten und Kämpfe für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen kaum bekannt sind. So setzt sich Nour nicht nur für eine Verbesserung der Wohnbedingungen der Gastarbeiter*innen ein, sie ist auch Teil des Streiks 1973 in einem Automobilzulieferbetrieb in Neuss, der in der erfolgreichen und endgültigen Abschaffung der Leichtlohngruppen – eine diskriminierende Lohngruppe speziell für Frauen – gipfelt. Das Leben in der Diaspora wird genauso thematisiert wie das Gefühl von Heimat und Heimatlosigkeit. Liebevolle familiäre Anekdoten wechseln sich mit Beschreibungen der Solidarität und der Stärke der Gastarbeiter*innen ab, die so viel Veränderungen bewirkt haben – ein kurzweiliges und durchaus lesenswertes Buch!
Andrea Knabl
Gün Tank: Die Optimistinnen. Roman unserer Mütter. 208 Seiten, S.Fischer, Frankfurt/M. 2022 EUR 22,70