Wortstark! Aber: Feminismus ohne Klasse?

Rita Kohlmaier (selbstständige Autorin, früher bei Spiegel Online, Vogue und Vogue Business) versammelt in dieser bunten, bilderreichen Broschur Ausschnitte aus Reden, kurze Portäts und Berichte über verschiedenste Frauen­, die sich im Kampf gegen das Patriarchat, sexualisierte Gewalt, Krieg, die Waffenlobby, Rassismus und andere Misstände in unserer Welt engagieren bzw. engagiert haben. Darunter u.a. die Holocaust-Überlebende Anita Lasker-Wallfisch, die liberale Imama Seyran Ateş und die Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie (We should all be Feminists) – um nur einige zu nennen. Die Biografien der 30 vorgestellten Frauen­ unterscheiden sich ebenso stark wie ihr Bekanntheitsgrad, das Gewicht ihrer Geldtaschen, ihre Aktions- und Protestformen und das Risiko, das sie für ihr Engagement auf sich nehmen. Warum gerade Michelle Obama unter den portätierten Frauen­ das Coverfoto ziert, bleibt unklar; eine Rede gegen Donald Trump im Jahr 2016 bildet jedenfalls gemeinsam mit Ausschnitten aus Reden von Hillary Clinton und Astrid Lindgren eine Art Schirmherrschaft über den schmalen Band. Obwohl insgesamt sehr interessante Persönlichkeiten zu Wort kommen und sich das Buch demonstrativ feministisch positioniert, stellt sich die Frage, ob ein Feminismus ohne Klassenbegriff tatsächlich positive Veränderungen für die Mehrheit der Frauen­ dieser Welt bringen kann oder ob sich hier nicht kapitalistisches Interesse und eine Verwertung feministischer Ideen eingeschlichen haben.
ReSt
Rita Kohlmaier: „Ich habe etwas zu sagen“. 30 Frauen, die das Wort ergreifen. 135 Seiten. Insel Verlag (Elisabeth Sandmann), Berlin 2021 EUR 15,40