Ziehen wir die Finger aus dem Feuer!
Mehr als vierzig Jahre nach der Veröffentlichung in englischer Sprache erscheinen Texte der 1992 verstorbenen lesbischen Schwarzen Feministin und Aktivistin Audre Lorde. Viele Leser:innen kennen ihre beeindruckende Mythobiografie „Zamie“. In dem nun vorliegenden Band sind Vorträge, Interviews, Reiseberichte und Briefe von Lorde vereint, die zwischen 1984 und 1992 entstanden sind, um aufzuklären, dass das Schweigen über Verschiedenheit nicht dienlich, sondern der offene Diskurs wichtig ist, um etwas zu verändern. Die klassenbewusste Lorde gilt als eine der ersten Theoretiker:innen, die sich mit Mehrfachdiskriminierungen auseinandergesetzt hat – als der Begriff Intersektionalität noch nicht en vogue war. Lordes Sichtweise ist hierarchiesensibel, die kapitalistische Profitmaximierung kritisierend und antisexistisch. Lorde setzt sich für weibliche Selbstbejahung ein, verdichtet inhaltlich die Position Schwarzer Frauen und verdeutlicht, dass diese es schwerer als weiße Frauen haben, sich in gesellschaftlichen und privaten Verhältnissen zu emanzipieren. Eine offensive Behandlung der jeweiligen Diskriminierungsunterschiede untereinander ist unausweichlich, um Verzerrungen im Diskurs zu vermeiden. Imposant ist das Interview, welches Adrienne Rich mit Lorde 1981 führte, weil es ihren Lebensweg anhand von wichtigen Auseinandersetzungen über Seximus und Rassimus innerhalb ihrer Lehrtätigkeit widerspiegelt. Ihre berührenden Reiseberichte zu Grenada und zur Sowjetunion unterstreichen ihren antikapitalistischen und antiimperialistischen Blick für gesellschaftliche Verhältnisse.
ML
Audre Lorde: Sister Outsider – Nicht Unterschiede lähmen uns, sondern Schweigen. Aus dem amerik. Engl. von Eva Bonné und Marion Kraft. 285 Seiten, Hanser, München 2021 EUR 20,60