Zwei Wege, eine Freundinnenschaft

Über drei Jahrzehnte begleiten die Leser*innen die Ich-Erzählerin Maren durch ihr Leben – und durch ihre tiefe und zugleich ambivalente Beziehung mit ihrer besten Freundin Inga. Auf den ersten Blick verbindet die beiden wenig. Ihre unterschiedlichen sozialen Herkünfte und ihre verschiedenen Sichten auf die Welt stellen ihre Freundinnenschaft oft auf die Probe. Über die Jahre entfernen sie sich immer mehr voneinander. Während Inga den von ihrem Elternhaus vorgegebenen Weg einschlägt – hauseigener Pool, später guter Job, schicke Loft-Wohnung, hält Maren sich mit Nebenjobs über Wasser, wohnt wegen der überteuerten Mieten bei ihren Eltern und sucht ihre Selbstverwirklichung im Schreiben. Und zuweilen fragt man sich, was die beiden beieinander hält, wenn sie sich scheinbar so wenig für das Leben der anderen interessieren. Was ihre Beziehung prägt, sind Dramen und große Gefühle, „geflüsterte Telefongespräche und tränenreiche Geständnisse“, Misstrauen und Neid; und zugleich „Loyalität, Liebe und Vertrauen“. Auch wenn beide Lebensentwürfe zuweilen vorhersehbar wirken, überrascht Katharina Hartwell immer wieder mit Witz und einfachen Sätzen und schafft es, dass man sich an der ein oder anderen Stelle selbst wiederfindet. Ein Buch über viel mehr als nur Freund*innenschaft – über Identitätssuche, Selbstverwirklichung und Machtverhältnisse. Und das fragt: Wie nah können Menschen sich sein, die doch so weit weg voneinander sind?
Merlind Sieben
Katharina Hartwell: Große Lieben. 368 Seiten, Berlin Verlag, Berlin 2025 EUR 24,70