Biografie als Selbstaussage
Nach dem Erfolg mit dem beeindruckenden Buch „Drei starke Frauen“ hat Marie NDiaye nun ein neues Werk vorgelegt: „Die Chefin. Roman einer Köchin“. Diesmal widmet sie sich einer einzelnen Frau, wieder einer Persönlichkeit, die sich nicht einfach einpasst in gesellschaftliche Erwartungen, die Risiken aufnimmt und ungefällig an ihren Zielen festhält. Ein ehemaliger Assistenzkoch erzählt über sie, die Chefin, die das ganze Buch namenlos so bezeichnet wird. Eingeschoben in kursiver Setzung sind Perspektiven eines älteren Mannes, der seinen Lebensabend in Lloret de Mar verbringt und den nahenden Besuch seiner erwachsenen Tochter fürchtet. Der Zusammenhang der beiden Erzählstränge verleitet zu Spekulationen und erschließt sich – wie so manches– erst am Schluss des Buches. Die Geschichte der erfolgreichen Köchin, die in ökonomisch sehr armen Verhältnissen in Frankreich aufgewachsen ist, bildet den vordergründigen Fokus des Romans. Zugleich bleibt offen, inwieweit all dies nicht vielmehr über den sich erinnernden Assistenzkoch aussagt, der schließlich immer wieder nur auf sein Unwissen über die von ihm so verehrte Köchin verweisen kann. Je sperriger sich die unzugängliche Chefin in ihrem Leben verhält, desto absoluter werden die Huldigungen des Assistenzkochs über sie – und das in Sätzen, die sich auch über eine ganze Seite erstrecken. Präzise und schnörkellos bleibt NDiaye neuerlich an ihren Figuren, schreibt dabei vom Kochen als großer Kunst, von Gerichten als Werken und gesellschaftlichen Kontexten, die beeinflussen und zugleich unberechenbar bleiben.
Meike Lauggas
Marie NDiaye: Die Chefin. Roman einer Köchin. Aus dem Franz. von Claudia Kalscheuer. 333 Seiten, Suhrkamp, Berlin 2017 EUR 22,70