„Es tut gut, miteinander zu sprechen.“
Die Schriftstellerin Leïla Slimani reist 2015 durch ihr Heimatland Marokko, das sie mit 17 Jahren verließ. Dabei spricht sie mit marokkanischen Frauen über deren Sexualität. Ihre Graphic Novel basiert auf dem 2018 bei btb im Anschluss an die Reise erschienenen Essay „Sex und Lügen. Gespräche mit Frauen aus der islamischen Welt“ Die Zeichnungen von Laetitia Coryn verleihen den Frauen Individualität und ein „Gesicht“, während sie deren Identität schützen. Es kommen unter anderem auch Journalistinnen, Feministinnen und eine Religionswissenschafterin zu Wort. Viele Stimmen stehen hier für ein neues Bewusstsein im Umgang mit Sexualität: Es sind nicht nur Frauen, die durch die lustfeindliche und heuchlerische Gesellschaft in ihrer persönlichen Freiheit beeinträchtigt werden, sondern auch Männer. Differenziert erzählt der Band von patriarchalen, beklemmenden und grausamen Wahrheiten über weibliche Sexualitäten. Er skizziert ein Land, das Jungfräulichkeit und Keuschheit von Frauen zur öffentlichen Angelegenheit macht und Denunziation unter der Bevölkerung befördert. Er zeugt aber auch von der Hoffnung auf Veränderung – trotz der Gesetze, die Beziehungen jenseits der Ehe, aber auch Homosexualität, Sexarbeit oder Abtreibung kriminalisieren. Dies zeigt sich im kollektiven Bewusstsein einer Gesellschaft, die versucht, ganze Lebensbereiche zu verdrängen und unsichtbar zu machen. Das vorliegende Buch hält klar dagegen, indem es Erfahrungen, Geschichten und Gegenentwürfe bündelt.
Clara Schmidl
Leïla Slimani, Laetitia Coryn: Hand aufs Herz. Aus dem Franz. von Kehrstin Behre. 108 Seiten, Avant Verlag, Berlin 2018 EUR 25,00