V.I. at her best
„Kritische Masse“ ist der 16. Fall der Chicagoer Privatdetektivin V.I. Warshawski, und sie muss sich diesmal mit – wie der Titel schon anklingen lässt – Atomwaffen und den Untiefen wissenschaftlicher Profitgier herumschlagen. Von ihrer Freundin Dr. Lotte Herschel alarmiert macht sich V.I. auf die Suche nach einer verschollenen drogenabhängigen Frau, Judy. Schnell wird klar, dass auch Judys Sohn Martin verschwunden ist, ein hochbegabter Naturwissenschafter. Die Spuren führen zunehmend in das Wien der Nazizeit. Die Mutter von Judy, Martina Saginor, war eine exzellente Physikerin am Wiener Institut für Radiumforschung und wurde von den Nazis zur Zwangsarbeit in ihrem Atomwaffenprogramm gezwungen. Martinas Arbeiten, speziell zur Speichertechnologie für die damals noch in Entwicklung stehenden Computer, waren sehr begehrt.
V.I. Warshawski, seit Anfang der 1980er Jahre eine der ersten und wichtigsten feministischen Krimiheldinnen, schafft es auch diesmal, durch mühevolle und gefährliche Ermittlungsarbeit den Fall zu lösen und für ein wenig mehr Gerechtigkeit in der Welt zu sorgen – was will das Leser*innenherz mehr? Bedrückend und berührend ist die – fiktive – Geschichte der Physikerin Saginor. Paretsky wurde durch die Geschichte der Wiener Physikerin Marietta Blau zu dieser Figur inspiriert, wie sie im Nachwort erklärt – auch Blau erbrachte großartige Leistungen, die nicht entsprechend gewürdigt wurden, auch sie musste vor den Nazis fliehen und ihre Karriere aufgeben. Große Empfehlung!
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Sara Paretsky: Kritische Masse. Aus dem amerik. Engl. von Laudan & Szelinski. 540 Seiten, Ariadne im Argument Verlag, Hamburg 2018 EUR 24,70