Erzwungene Ruhe
Wo ist das Ende der Gedanken? Wann sind die Grenzen erreicht? Gine Pedersen erzählt das Leben einer namenlosen Frau und nimmt die Leserinnen mit in deren hemmungslose und selbstzerstörerische Gedanken, Gedanken, die laut um sich schlagen und nicht zur Ruhe kommen. Verzweifelt versucht die Protagonistin, ihren Platz in der Welt zu finden und ihren Traum, eine Schauspielerin zu werden, durchzusetzen. Dabei trifft sie auf patriarchale Strukturen, die sie einschränken und in etwas zwingen, was sie nicht ist. Diese unbändige Frau, die ihre Gefühle, Ängste und Aggressionen nicht kontrollieren kann, fühlt sich nirgends angenommen. Sie erfährt Mobbing, sexuelle Übergriffe, wird immer wieder auf ihren Körper reduziert und für eine Zeit in die Psychiatrie eingewiesen, wo ihre Gedanken durch Medikamente vorübergehend verlangsamt und stillgelegt werden. Auf Versuche, Kontrolle über sich zu erlangen, reagiert sie mit Drogenmissbrauch, Wut und Ausschreitungen gegenüber sich selbst und den Menschen in ihrem Umfeld. Pedersen bricht mit der klassischen Romanform und verzichtet auf Punktsetzungen, wodurch der Text teilweise wie ein innerer Monolog wirkt und durch die Gestaltung an ein Gedicht erinnert. Themen, die den Roman durchziehen, sind Triebhaftigkeit, Einsamkeit und der Kampf um die Vernunft. Lässt man sich auf diesen Roman ein, sollte man sich auf wirre, depressive, auf die innersten Gedanken einer Frau einstellen, die einen ungemein fesseln und nicht mehr loslassen.
Lilia Holder
Gine Cornelia Pedersen: Null. Aus dem Norw. von Andreas Donat. 190 Seiten, Luftschacht, Wien 2021 EUR 20,00